Vor zwei Wochen war ich einige Tage in Ruanda, das im Südosten an Uganda grenzt. Das Land selbst ist flächenmäßig etwa so groß wie Rheinland-Pfalz - hat dafür aber mehr als 12 Millionen Einwohner [1]. Damit ist es (wenn man von Stadtstaaten wie Singapur oder Monaco absieht) auf der Liste der Länder mit der größten Bevölkerungsdichte auf Platz 14 (in Afrika sogar auf dem ersten Platz) mit über 450 Einwohnern/km² (Deutschland: 250) [2]. Die meiste Zeit habe ich in der Hauptstadt Kigali verbracht, die im Vergleich zu Kampala mit einer Einwohnerzahl von ca 1.1 Millionen Menschen (Stand 2012) eher gering bevölkert ist - aber trotzdem schnell wächst.
Landschaft
Ruanda wird auch 'Das Land der tausend Hügel' genannt, was vermutlich eine starke Untertreibung ist. Bereits im Süden Ugandas, auf dem Weg zur Grenze wird es sehr hügelig und wenn unser Bus mal wieder bergab entlang der kurvigen Straßen rast, zieht man den Gurt lieber noch etwas fester. In Ruanda bleibt es dann ähnlich hügelig, wobei die Straßen mal durch die Täler und mal bis auf die Gipfel der Hügel führen, teilweise bis auf über 2000 Meter. Die knapp eineinhalb Stunden Fahrt von der Grenze bis zur Hauptstadt sind eine Attraktion für sich, denn sowohl die kurvigen Straßen, als auch der Blick auf die Hügelketten sind eine Sehenswürdigkeit für sich.
Im Norden des Landes an der Grenze zum Kongo, aber auch an der Grenze zu Uganda gibt es eine langgezogene Kette von Vulkanen, an deren Hängen Gorillas leben. Die Wanderung zu diesen ist eine der Hauptattraktionen des Landes.
Sauberkeit
Ruanda ist über Afrika hinaus als ein sehr sauberes Land bekannt. Bereits während der Fahrt mit dem Bus nach Kigali bemerken wir einen Unterschied zu Uganda. Der staubige Untergrund vor den Häusern in den Dörfern ist 'blitzblank' - während er in Uganda meist mit tausenden Plastikabfällen übersät ist. Aus dem Fenster des Busses kann ich nicht beurteilen, ob dies auch abseits der großen Straßen der Fall ist - doch es ist zu vermuten. Denn Ruanda hat nicht nur Plastiktüten verboten (nach denen ich tatsächlich während den Tagen in Kigali vergeblich Ausschau gehalten hab), sondern bestraft die illegale Einfuhr oder den Verkauf sogar mit bis zu sechs Monaten Gefängnis [3]. Darüberhinaus wird an der Grenze des Landes der Rucksack (auch bei mir) durchsucht, um zu verhindern, dass Plastiktüten in das Land eingeführt werden. Doch das ist nicht alles - am letzen Samstag jeden Monats ist Umuganda (deutsch: mit gemeinsamem Ziel zusammenkommen) und dann ist jeder in Ruanda zwischen 18 und 65 Jahren verpflichtet, Müll aufzusammeln, vor der Haustür zu kehren und insgesamt alles sauber zu machen. Wer nicht teilnimmt, muss 5€ Strafe zahlen (Durchschnittseinkommen pro Tag in Ruanda liegt bei 5€). Autofahren ist ebenfalls verboten [4]. Besonders in Kigali ist das Ergebnis beeindruckend. Während in Kampala nur die Reichenviertel als sauber zu bezeichnen sind, trifft das in Kigali wohl auf jede Ecke zu. Selbst auf den traditionellen Märkten ist der Boden so sauber, dass man wohl davon essen könnte.
Kigali wirkt auf einen im Allgemeinen sehr strukturiert und ordentlich im Vergleich zu Kampala. Große, breite Straßen, mit Palmen in der Mitte. Breite Gehwege, Parkplätze, viele Bäume und Grünfläche neben den Straßen. Alles hier sieht aus wie ein Versuch, sich über andere Hauptstädte Afrikas lustig zu machen - auch manche europäische Stadt kann sich hier eine Scheibe abschneiden.
Sicherheit
Ruanda hat eine der niedrigsten Korruptions-Raten in Afrika [5] (im Vergleich zu Westeuropa dennoch recht hoch) und wird von Reiseagenturen regelmäßig als eines der sichersten Länder Afrikas eingestuft. Wer nach Ruanda kommt bemerkt in Kigali eine enorm hohe Polizeipräsenz (quasi ein Polizist je großer Straßenkreuzung) und das Helmpflicht für Motorradfahrer besteht. Wer als Bodafahrer (Motorrad-Taxi) arbeitet, muss zudem eine Weste mit Registrierungsnummer und Namen tragen um Überfällen und Entführungen (die in Uganda nachts als Europäer keine Seltenheit sind; ist einigen Freiwilligen in den vergangenen Monaten bereits zum Verhängnis geworden) vorzubeugen. Generell wird gesagt, dass man in Kigali auch nachts ohne große Bedenken unterwegs sein kann - das trifft auf Kampala eher eingeschränkt zu. Es ist zu vermuten, dass dies alles nicht nur dem Selbstzweck dient, sondern auch um Touristen anzuziehen. Und tatsächlich habe ich mich während der wenigen Tage in Ruanda sehr viel 'wohler' gefühlt, als in Uganda im Allgemeinen - dies kann man natürlich auch dem Aufenthalt in Hotels zuschreiben.
Geschichte & Politik
Es mag ignorant wirken, die Geschichte Ruandas mit der Kolonisation durch Deutschland zu beginnen - ganz so, als hätte Ruanda davor nicht existiert. Doch um den kurzen Abriss über die Geschichte möglichst knapp zu halten, wollen wir trotzdem dort unseren Startpunkt setzen. Die ersten Deutschen kamen Ende des 19. Jahrhunderts in Ruanda an. Die Kolonisation begann zunächst langsam - so wurde in der Anfangszeit beispielsweise damit begonnen, ein Steuersystem einzuführen [6]. Fotografien und Dokumente aus jener Zeit kann man heute in Kigali im Kandt-Haus ansehen. Richard Kandt erkundete zwischen 1897 und 1904 unter Anderem die Gebiete des heutigen Ruandas und schuf dann mit dem Kandt-Haus eine permanente Residenz, um die sich nach und nach mehr Menschen (insbesondere indische und arabische Kaufleute) ansiedelten. Heute ist diese Stadt Kigali, die Hauptstadt des Landes.
Das Kandt-Haus in Kigali |
Statue von Richard Kandt |
Wichtig für die spätere Geschichte Ruandas ist auch der historisch umstrittene Einfluss von Deutschland (und später Belgien) auf die Rivalitäten zwischen den Stämmen der Hutu und Tutsi. Während viele Historiker der Auffassung sind, dass diese Stämme bereits vor der Kolonialzeit existiert haben - jedoch mit fließenderem Übergang - liest man heute im Kandt-Haus-Museum davon, dass die Deutschen diese Stämme erst erschaffen hätten. So erfährt man dort, dass zwischen Personen mit mehr als 10 Kühen (Tutsi) und weniger als 10 Kühen (Hutu) unterschieden wurde. In der Tat ist es wohl eher so gewesen, dass die Deutschen die beiden Stämme gegeneinander aufbrachten, indem sie den ohnehin sozial bessergestellten Tutsi Macht gaben. Die Unterscheidung zwischen beiden Stämmen setzte sich auch fort, als Belgien im Zuge des ersten Weltkrieges die Kontrolle über Ruanda übernahm (nach dem zweiten Weltkrieg und der Gründung der UN wurde die Kolonie zu einem sogenannten Treuhandgebiet). Nachdem es gegen Ende der 50er-Jahre zu mehr Gewalt und Unruhen kam, führte Belgien am 25. September 1961 ein Referendum durch, mit dem Ergebnis das Ruanda eine unabhängige Republik werden sollte [6]. Die Spannungen zwischen Hutu und Tutsi setzten sich in den folgenden Jahren fort und die Minderheit der Tutsi wurde zunehmend unterdrückt. 1993 wurde der Arusha-Friedensvertrag unterzeichnet, der den andauernden Bürgerkrieg zwischen beiden Volksgruppen beenden sollte. Doch am 6. April 1994 wurde ein Flugzeug mit den Präsidenten von Ruanda und Burundi an Bord im Landeanflug auf Kigali abgeschossen. Bis heute ist nicht abschließend geklärt, wer dafür verantwortlich ist [7]. Nur Stunden danach begann das aus Hutu bestehende Militär Tutsi zu ermorden und in Kigali kam es zu Gefechten. Es gilt heute als sicher, dass der folgende Völkermord von langer Hand geplant war. Innerhalb von drei Monaten wurden über 500,000 Tutsi und Hutu getötet. International verbreiteten sich Bilder von zahllosen Leichen, die in Flüssen entlangtrieben. Die in Ruanda stationierten UN-Soldaten griffen nicht ein und wurden stattdessen größtenteils abgezogen, nachdem 10 belgische Soldaten von Hutu-Kämpfern getötet wurden. Viele Hutu versuchten in den Stationen der verbliebenen UN-Soldaten Schutz zu finden, wurden aber meist abgewiesen. Die von den Tutsi angeführte Ruanda Patriotic Front (RPF) war den Hutu zwar zahlenmäßig unterlegen, aber militärisch deutlich überlegen und konnte schließlich Kigali erobern und den Völkermord beenden. Rund 2 Millionen Hutu-Kämpfer flohen in den heutigen Kongo [7]. Nach dem Völkermord gab es aus Ruanda viel Kritik an der UN-Mission, die den Völkermord nicht verhindern konnte und sogar größtenteils abgezogen wurde. Zwar wurde im Laufe des Völkermordes die Entsendung weiterer Soldaten beschlossen, doch die zur Durchführung kam es vor dem Ende der Kämpfe nicht mehr [8]. Heute noch kann man die Einschusslöcher von Gefechten in Kigali an der Fassade des Parlaments sehen. Im Land gibt es dutzende Gedenkstätten und in fast jedem Dorf eine Gedenktafel für die dortigen Opfer des Völkermordes.
Bilder von Babys und Kindern, die Opfer des Völkermordes wurden |
Der Völkermord hinterließ in Ruanda ca 300,000 Weisen und zahllose, durch Vergewaltigungen mit HIV infizierte Frauen. Es gibt wohl kaum eine Familie in Ruanda, die nicht durch den Genozid betroffen war. Seit dem Völkermord ist die Situation in Ruanda weitestgehend friedlich und stabil - auch durch die strenge Regierung des jetzigen Präsidenten Paul Kagame. Doch diese Stabilität existiert auf Kosten des Ost-Kongo, wo das Militär Ruandas regelmäßig interveniert. Ein Grund dafür ist der Versuch, ein Erstarken von Hutu-Milizen zu verhindern. Die Grenzregion zwischen Kongo, Ruanda und Uganda gilt heute als extrem instabil und von Gewalt durch Milizen geprägt [9].
Doch wenn wir unseren Blick zurück auf Ruanda werfen, sehen wir ein zunehmend stabiles und friedliches Land. Die Lebenserwartung liegt mit 67 Jahren weit über denen der Nachbarländer (Uganda: 60, Kongo: 59) und es wird zunehmend mehr in die gesundheitliche Versorgung investiert. Seit Jahren erlebt Ruanda ein Wirtschaftswachstum von 4-11% pro Jahr und das, obwohl das Land arm an Rohstoffen ist und in der Vergangenheit Strom und Nahrung importieren musste. Ein großer Teil des Wachstums geht auf den Bereich der Dienstleistungen und zunehmend auch auf den Tourismus zurück [10]. Gleichzeitig kann man nicht leugnen, dass der einfache Bauer auf dem Land davon zunächst wenig spürt. Doch immerhin investiert Ruanda viel eigenes Geld und Entwicklungshilfe in Bildung und Infrastruktur und macht in diesen Bereichen große Fortschritte im Vergleich zu anderen Ländern Ostafrikas. Und tatsächlich hat sich der Gini-Koeffizient (Maß für die Ungleichheit in der Vermögensverteilung) in den letzten 20 Jahren nicht weiter erhöht (stagniert aber auf einem eher hohen Niveau) [11]. Für seine Leistungen nach dem Genozid wird Paul Kagame regelmäßig verehrt. Doch dies täuscht nicht darüber hinweg, dass Ruanda durch Paul Kagame streng autokratisch geführt wird. Eine freie Presse existiert nicht und die Opposition wird bei Wahlen unterdrückt. Im Demokratieindex liegt Ruanda weit hinter Ländern wie Uganda und Kenia auf einer Höhe mit China [12]. Bereits die Reglementierungen zur Sauberkeit zeigen, wie hart die Regierung in Ruanda in das Leben der Menschen eingreifen kann und so wird Ruanda oft als 'Erziehungsdiktatur' bezeichnet.
Zukunft
Ruanda hat noch einen weiten Weg bei der Bekämpfung von Armut und Krankheiten wie HIV vor sich. Doch die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen extrem steil nach oben und lassen die Frage zu, ob Ruanda ein Wachstum wie Indien oder China hinlegen wird. Entscheidend für die Zukunft werden auch die Entwicklungen im Ost-Kongo sein. Bleibt Ruanda von zukünftigen Konflikten verschont und kann seine Investitionen in Bildung und Gesundheit fortsetzen und darüberhinaus seine Wirtschaft weiter ankurbeln, dann sieht es gut aus für die Zukunft des Landes. Ruanda wird seit einer Weile als eines der Länder in Afrika bezeichnet, dass sich am besten entwickelt. Doch ein Blick auf die Regierung von Paul Kagame lässt die Frage offen, was wichtiger ist: Wohlstand oder Freiheit.
Quellen:
[1] - http://www.statistics.gov.rw/
[2] - https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_and_dependencies_by_population_density
[3] - https://www.nytimes.com/2017/10/28/world/africa/rwanda-plastic-bags-banned.html
[4] - https://www.npr.org/sections/goatsandsoda/2018/07/18/628364015/how-rwanda-tidied-up-its-streets-and-the-rest-of-the-country-too
[5] - https://www.transparency.org/cpi2018
[6] - https://en.wikipedia.org/wiki/History_of_Rwanda#Colonial_Rwanda
[7] - https://en.wikipedia.org/wiki/Rwandan_genocide#Assassination_of_Habyarimana
[8] - https://en.wikipedia.org/wiki/Rwandan_genocide#United_Nations
[9] - https://www.zeit.de/online/2009/04/kongo-ruanda-hutu
[10] - https://en.wikipedia.org/wiki/Economy_of_Rwanda
[11] - https://knoema.com/atlas/Rwanda/topics/Poverty/Income-Inequality/GINI-index
[12] - http://pages.eiu.com/rs/753-RIQ-438/images/Democracy_Index_2018.pdf
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