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6000km mit dem Rucksack quer durch Schweden

KAPITEL 1 - Das grüne Malmö

   
Vieles im Leben lädt zum Ausprobieren ein. Einiges probiert man nur einmal aus, doch das Ein oder Andere lernt man zu schätzen und behält es sich bei. So ist auch der erste Backpacking-Urlaub eine Sache zum Ausprobieren. Und definitiv etwas, dass ich nicht zum letzten Mal gemacht habe. Vom 1. bis zum 19. September habe ich in Begleitung von Annika in Skandinavien mehr als 6000km mit Zug, Bus und Fähre zurückgelegt und dabei die Großstädte Stockholm und Oslo, aber auch die unendlichen Weiten von Lappland gesehen. Ich bin mit dem Nachtzug tausende Kilometer gefahren und habe im nassen Zelt Kilometer vom nächsten warmen Wasser entfernt bei 1°C geschlafen. Trotz alledem war es ein unvergesslicher und unvergleichlicher Urlaub. Und von dem möchte ich euch jetzt ein bisschen erzählen (auf Weiterlesen klicken).

 Die eigentliche Reise begann eigentlich schon mit dem stundenlangen Packen und Wiegen. Wer nur mit einem Rucksack unterwegs ist, versucht natürlich sein Bestes, das Gewicht so klein wie möglich zu halten. Doch Klamotten, Zelt, Campingkocher, Geschirr, Handtuch, Töpfe usw. müssen halt doch alle mitgenommen werden. Selbst die Waschtasche gegen einen Plastikbeutel auszutauschen bringt nur 350g weniger. Mit Wanderschuhen, Schlafsack und Isomatte sind es am Ende 19,5kg - wer soll das denn tragen?! Und eines gleich vorweg - nicht eine Sache in meinem Rucksack war überflüssig - soviel kann ich jetzt nach der Reise schonmal verraten. Mit insgesamt also fast 40kg Gepäck machten wir uns auf die Reise und fuhren erst mit dem ICE nach Hamburg, wo wir eine Stunde Aufenthalt hatten. Mit einem weiteren ICE ging es dann in knapp 5 Stunden nach Kopenhagen, wobei wir einen Teil der Strecke mit dem Zug in einer Fähre zurücklegten und am Bord des Schiffes die Überfahrt von Puttgaren (Deutschland) zur dänischen Küste erleben konnten. Nach einer kurzen U-Bahn-Fahrt unter dem Øresund hindurch, der Schweden und Dänemark trennt, erreichten wir Malmö. Da wir befürchteten, der Campingplatz würde schließen - und es war schließlich schon 22:00 - nahmen wir ein Taxi zum Campingplatz. Ein bisschen außerhalb der Innenstadt gelegen, befand sich dieser nur unweit der Öresundbrücke entfernt. Das Zelt war rasch aufgebaut und nach einem langen und anstrengenden ersten Anreisetag verbrachten wir unsere erste Nacht in Schweden.
 Am nächsten Morgen machten wir uns auf, um Malmö zu besichtigen. Die Stadt selbst ist mit 300.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Schwedens (nach Stockholm und Göteborg) - da werden schonmal andere Maßstäbe deutlich. Die Altstadt ist beschaulich, aber schön - die in reinem Weiß gehaltene St. Petrus Kirche und der Marktplatz (Stortorget, wobei das 'et' am Ende der Artikel ist, der im Schwedischen ans Ende der Wörter gehängt wird) geben ihr eine angenehme Atmosphäre. Im Westen der Altstadt, die komplett von einem Kanal umgeben ist, befinden sich der Kungsparken (Königspark) und der Slottstradgården (Schlossgarten), die mit vielen Alleen zum Durchspazieren einladen. Während einer Kanalrundfahrt bekamen wir auch den Hafen und den Leuchtturm von Malmö zu Gesicht und in einem 'Rock-Café'/Musikladen war es dann Zeit für ein Mittagessen. Den Nachmittag verbrachten wir in einem Technischen Museum, wo wir viel Spaß daran hatten, mit Carrera-Autos Rennen zu fahren und Musik zu machen. Auf einem großen farbigen Brett konnte man durch Herumhüpfen verschiedene Töne erzeugen und mithilfe des Klaviers versuchten wir uns in dem Museum, das fast leer war, lautstark an Knockin' On Heavens Door. Das Herumhüpfteil war auf jeden Fall falsch gestimmt und das Video dazu halte ich lieber geheim :P

Der ICE fährt auf die Fähre:

   

Überfahrt nach Dänemark:



Stadtpark & Altstadt von Malmö:

 

 

 

Bootsfahrt durch Malmös Kanäle:

  

Im technischen Museum:
  


KAPITEL 2 - Stockholm

Nach einer zweiten Nacht bauten wir unser Zelt in Malmö bereits wieder ab und machten uns mit dem schwedischen Schnellzug auf die Reise nach Stockholm - wo wir mit starkem Regen begrüßt wurden. Doch das schlechte Wetter verzog sich, und als die Sonne wieder hinter den Wolken hervorkroch, machten wir uns auf den Weg zu einem direkt in der Nähe des Campingplatzes gelegenen See. Wir genossen die Ruhe und die wunderschöne Umgebung dort bis zum traumhaften Sonnenuntergang. Danach wurde es Zeit mit dem, womit wir ausgestattet waren, ein Abendessen zu kochen.

    



Testament Alfred Nobels
Am nächsten Tag fuhren wir mit der Tunnelbana (U-Bahn) in die Altstadt, schlenderten durch die Gassen des Venedig des Nordens. Stockholm selbst erstreckt sich über 14 Inseln, die durch 53 Brücken verbunden sind. Mit 911.989 Einwohnern ist Stockholm die größte Stadt Schwedens. Auf einer Insel findet man die Gamla Stan (Alte Stadt) mit vielen Gassen, alten Kirchen und dem Nobelmuseum. Auf einer anderen Insel findet man eine Gartenanlage und den Reichstag und auf einer weiteren Insel findet man eine riesige Parkanlage mit Wildpark. 2 Tage lang besichtigten wir Stockholm und liefen zu Fuß insgesamt ca. 50km durch die Stadt, über Brücken, an Häfen entlang und durch kleine Gassen. Im Nobelmuseum konnten wir die Geschichte von Alfred Nobel erleben, der für den Frieden stand und das Dynamit erfand - einst sagte er: "Ich möchte einen Stoff oder eine Maschine schaffen können von so fürchterlicher, massenhaft verheerender Wirkung, daß dadurch Kriege überhaupt unmöglich würden." (weil keiner mehr wagt, sie einzusetzen).


Das Gedeck fürs Nobel-Bankett
Der Reichstag
Kunstvoll gestaltete U-Bahnhöfe findet man zahlreich

 

Weiter besuchten wir das Vasa-Museum, in dem ein fast 400 Jahre altes Schiff zu sehen ist. Am 10. August 1628 sank das riesige Holzschiff bereits nach 1300m auf der Jungfernfahrt, da ihre Konstruktion und ihr Gewicht das Schiff nicht stabil im Wasser liegen ließen. Nach über 333 Jahren wurde in den 1960ern in einem Riesenprojekt das Schiff verortet und geborgen. Zusammen mit Tausenden von Einzelteilen, die man auf dem Meeresgrund fand, setzte man das Puzzle wieder zusammen. Das Schiff war in außerordentlich gutem Zustand und nach 17 Jahren des Bespritzens mit Polyethylenglykol war man bereit, um das Schiff herum ein Museum zu errichten. 


Auf der selben Insel, auf der sich heute die Vasa befindet, kann man auch den Skansen-Park besuchen. Angelegt als eine Art Mischform von Wildpark, Zoo und Freilichtmuseum kann man dort Elche, Rentiere, Bären und alle anderen Tiere zu Gesicht bekommen. Aber auch nachgebaute Holzhütten der Samen (die Ureinwohner Skandinaviens) und ältere Wohnhäuser aus Schweden samt originaler Inneneinrichtung geben ein gutes Miniatur-Bild des Landes ab. 

      


KAPITEL 3 - Das eisige Lappland



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Am Abend des zweiten Tages machten wir uns auf den Weg zum Campingplatz, sammelten unser Gepäck ein, fuhren zum Hauptbahnhof und um 22:50 stiegen in unseren "Polarexpress". Wir hatten einen Schlafwagen gebucht und auf einigermaßen bequemen Liegen verbrachten wir einem 6er-Abteil zusammen mit einem weiteren Schweden eine für einen Zug sehr bequeme Nacht. Als wir aufwachten, befanden wir uns bereits 800km nördlich von dem Ort, wo wir tags zuvor eingeschlafen waren - Reisen im Schlaf ist doch was ganz schön Praktisches ;) Wir öffneten das Fenster, steckten unsere Köpfe dem Fahrtwind entgegen und fühlten uns wie Entdecker, die mit dem "Polarexpress" zu neuen Welten aufbrechen.




Die Landschaft um uns herum war einzigartig. Während der Zug sich auf der eingleisigen Strecke entlangschlängelte, war links und rechts nichts anderes als unendlicher Wald zu sehen. Außer dem Zaun am Rand der Zugstrecke war weit und breit nichts Menschengemachtes zu sehen. Nach vielen Minuten tauchte an einem der großen Seen am Ufer vielleicht mal ein kleines rotes Häuschen auf. Und gelegentlich hielt der Zug an - an Stationen, die aus einem Bahnhofshäuschen und vielleicht drei weiteren Hütten bestanden. Irgendwann stiegen wir um und befanden uns nun auf einer der nördlichsten Zugstrecken Europas. Wir fuhren weitere 5 Stunden, die Landschaft wurden nun noch karger, weniger Wälder, noch mehr Weite. Die ganze Zeit schauten wir gespannt auf die Kompass-App im iPhone - dann war es soweit. Es erschienen die Koordinaten 66°33'55'' - die geographische Breite des Polarkreises. Neben der Bahnstrecke konnten wir ein kleines Schild ausmachen, das die Grenze markierte. Nun waren wir bereits mehr als 2000km Luftlinie von München entfernt. Als wir schließlich an unserem Zielort Abisko ankamen, war er bereits 17:00 - wir waren also mehr als 18 Stunden mit dem Zug unterwegs gewesen. Wir befanden uns im Abisko Nationalpark - mehr als 200km nördlich des Polarkreises, nördlicher als die Nordspitze Islands und die Südspitze Grönlands. Die Luft war kalt und feucht, fast 95% Luftfeuchtigkeit und es regnete. Erschöpft bauten wir unser Zelt auf und krochen in die warmen Schlafsäcke.





Der Abisko-Nationalpark ist etwa 10km breit und ca. 30 km lang und durch ihn hindurch geht mit dem Kungsleden einer der beliebtesten Wanderwege Nordschwedens. Selbst zu dieser Jahreszeit und bei diesem Wetter trafen wir gelegentlich Wanderer, nicht zu selten auch Deutsche. In der Touristenstation von Abisko hatten wir zum Glück die Möglichkeit, einiges von unserem Gepäck zu lagern und mit fast 10kg weniger auf den Schultern machten wir uns auf die Wanderung. Unterwegs zu einem der Plätze im Nationalpark, wo Zelten erlaubt ist, liefen wir an einem Fluss entlang, der sich mit unglaublicher Schönheit seinen Weg durch die Felsen und Steine bahnte. Meter an Meter reihten sich die Strudel und Wasserfälle, die der felsige Untergrund hervorgebracht hat. Die Landschaft war - ungewöhnlich für diese Temperaturen - fast ausschließlich von Laubbäumen und Büschen dominiert, die im frühherbstlichen Gold erstrahlten. Es war ein wunderschöner Anblick. Nach 2 Stunden erreichten wir den besagten Zeltplatz, ausgestattet mit einer kleinen Hütte und einem Plumpsklo. Nachdem das Zelt aufgebaut war, erkundeten wir noch für eine Weile die Gegend und als wir wieder zurückkehrten, war es Zeit mit dem Camping-Gaskocher Nudeln zu machen. Das Flusswasser brauchte bei dieser Kälte ewig, um war zu werden und neben uns in unzählige Decken und Jacken gewickelt saß eine Schwedin, mit der wir uns angeregt unterhielten. Ein Feuer mit dem nassen Holz zu machen war vergebens. Nachdem wir gegessen hatten, krochen wir wieder in unsere Schlafsäcke und hatten es wenigstens für einige Stunden recht warm. Während der Nacht stand ich mehrmals auf, in der Hoffnung doch noch das ein oder andere Polarlicht zu sehen. Doch obwohl der Himmel zumindest nicht wolkenbedeckt war, lies sich außer einem diffusen, farblosen Streifen nichts Besonderes am Sternenhimmel erkennen - es war unglaublich feucht.



 



Am nächsten Tag liefen wir - ausgestattet nur mit ein paar Scheiben Brot und etwas Honig - ca. 10 km bis fast zum südlichen Ende des Nationalparks. Dort befand sich Abiskojaure - ein Campingplatz mit einer Hütte und einer Sauna. Der kleine Shop wird per Helikopter bedient und hatte nur das Nötigste vorrätig. Nach einer kurzen Verschnaufpause machten wir uns wieder auf den Rückweg und waren erschöpft, als wir nach 6 Stunden Fußmarsch wieder zurück an unserem Zelt angelangt waren. Langsam zog die Dämmerung herein und da bemerkten wir, dass neben unserem Zelt zwei Deutsche ein Lagerfeuer entfachten (wie sie das hinbekommen haben ist mir immer noch ein Rätsel). Sofort kamen wir vorbei und nach einem kurzen Augenblick saßen wir am wärmenden Feuer, um welches wir die nassen Schuhe gestellt hatten. Die beiden Wanderer kamen aus Bochum und waren sehr freundlich, zögerten aber auch nicht davor uns zu bitten ein Lagerfeuerlied zu singen - als uns keins einfiel kam die Diskussion wieder auf Polarlichter, Skandinavien und Camping zurück. Gewärmt vom Feuer verbrachten wir die letzte Nacht im Nationalpark, standen früh auf und machten uns auf den Rückweg nach Abisko.



Vom Ausgang des Nationalparks aus liefen wir zur Bergbahn, die uns fast 1 km hoch zur Abisko Sky Station transportierte. Mit einem atemberaubenden Ausblick auf die waldreiche, gebirgige Landschaft in diesem Teil Lapplands endete unser Aufenthalt in Abisko.

Wieder vom Ausflug auf den Berg zurückgekehrt, liefen wir den Fluss noch etwas weiter Richtung See entlang. In Skandinavien findet man an Flüssen und Inseln oft viele solcher Steintürme - Trolle genannt.

Nach einer weiteren Nacht auf dem Campingplatz von Abisko fuhren wir weiter auf der Zugstrecke entlang, auf der wir bereits hierher gekommen waren. Wir überquerten die Grenze zu Norwegen und erreichten die Endstation: Narvik. Am frühen Nachmittag erreichten wir die 18.000 Einwohner starke Stadt in den Fjorden von Norwegen. Nur wenige Meter vom Bahnhof entfernt, standen ein paar Bäume und ein kleiner Hügel mit einem Aussichtspunkt - mitten in der Stadt. Dort platzierten wir unser Zelt. Denn wovon ich noch gar nicht erzählt habe: Das Jedermannsrecht ermöglicht es einem in Norwegen, Schweden, Schottland und Finnland ohne Genehmigung auf freiem Gelände zu zelten, wenn man ausreichend Abstand von Häusern hält. Als nächstes liefen wir entlang der steil ansteigenden Straßen einen Hügel hinauf, um einen Ausblick auf die Fjorde und die umliegende Landschaft zu bekommen. Anschließend liefen wir zum Hafen und kauften dann für 7€ einen Grillkäse - billig ist Norwegen jedenfalls nicht. Zurück in unserem Waldstück, wo wir unser Zelt aufgebaut hatten, kochten wir uns mit dem Gaskocher etwas zu essen. Da ich in Abisko meine Jacke liegen gelassen, hatte mussten wir einen Zug früher nehmen, um am nächsten Morgen dort noch einmal Halt zu machen. Die Zugstrecke dort oben wird in beide Richtung jeweils zweimal am Tag befahren und unzählige Male von riesigen Güterzügen, die abgebaute Erze und Holz in den Süden transportieren. Nachdem wir die Jacke in Abisko eingesammelt hatten, stiegen wir am frühen Nachmittag in den Nachtzug nach Stockholm, wo wir nach 20 Stunden Zugfahrt ankamen. Einen kurzen Einkauf später stiegen wir bereits in den nächsten Zug nach Örebro, dass auf halber Strecke zwischen Stockholm und Oslo liegt.




KAPITEL 4 - Örebro & Oslo

Örebro ist aus deutscher Sicht eher eine mittelgroße Stadt, aus schwedischer Sicht eher eine Großstadt mit ihren 130.000 Einwohnern. Örebro besitzt einen schönen Stadtpark, eine kleine Altstadt und ein Schloss. Doch das interessanteste an Örebro war mit Abstand das Freilichtmuseum Wadköping. Dort findet man aus der ursprünglichen Altstadt von Örebro hierher transportierte kleine Wohnhäuser samt originaler Inneneinrichtung. Hier bekommt man ein gutes Gefühl vom Leben in einer schwedischen Kleinstadt vor 150 Jahren. Das erstaunliche ist, dass zwischen all den niedlichen, roten Häuschen auch gelegentlich eines versteckt ist, dass tatsächlich bewohnt ist und nicht Teil des Museums. Ob kleine Holzhütte, Scheune, Lädchen oder das Haus des Bürgermeisters - alles war hier zu finden.

Der Vogelschutzpark von Örebro

Am nächsten Morgen machten wir noch einen Spaziergang durch den nahe an Örebro gelegenen Vogelschutzpark und liefen am Ufer des anliegenden Hjälmarensees, der sich fast 40km nach Osten erstreckt. Am Nachmittag ging es dann weiter nach Oslo. Am späten Abend erreichten wir die Hauptstadt Norwegens und unser Plan auf der Insel Langøyene zu schlafen, war nicht mehr umzusetzen, da kein Schiff um diese Zeit mehr auf die Insel fuhr. Also hatten wir vor, mit der U-Bahn Richtung Stadtrand zu fahren und am Waldrand unser Zelt aufzuschlagen. Mithilfe von Google Maps war schnell eine Grünfläche ausgemacht und es war fast 22:00 als wir mit unseren Rucksäcken vorbei an Wohnhäusern durch eine völlig unbekannte Vorstadt von Oslo liefen. Doch dann die Enttäuschung: Privatgelände. Angestrengt vom schweren Rucksack liefen wir wieder zurück zu der U-Bahn-Station, von der wir gerade gekommen waren. Zu müde um noch weiter aus der Stadt zu fahren, liefen wir unter einer Autobahn hindurch und sahen auf der anderen Seite ein kleines Stück Wiese. Während fast überall meterhohes Gras wuchs, war direkt am Rand der Autobahn ein vielleicht 10 m breites und 5 m langes Stück Wiese frei. Doch nicht nur lag das Stück Wiese, auf dass wir nun unserer Rucksäcke abgestellt hatten direkt an der Autobahn - direkt vor uns befand sich die Justizvollzugsanstallt Bredtveit Fengsel. Mit einem unangenehmen Gefühl und dem Donnern der Autos in den Ohren legten wir uns unter dem Licht der Straßenbeleuchtung in unser Zelt.
Nach einer kurzen Nacht packten wir rasch unsere Sachen und machten uns auf den Weg in die Osloer Innenstadt, wo wir ernüchtert feststellten, dass im September gar keine Schiffe mehr auf die Insel Langøyene fuhren. Schließlich fanden wir doch noch einen Campingplatz - etwas außerhalb der Stadt gelegen - und konnten endlich unsere Rucksäcke von den Schultern nehmen. Wieder zurück in der Innenstadt besuchten wir schon wieder ein Nobelmuseum - diesmal eine Ausstellung speziell zum Friedensnobelpreis, der in Oslo verliehen wird. Im Museum gab es eine Ausstellung über Carl von Ossietzky und eine weitere über die Friedensbemühungen im Zuge der Demokratisierungsbewegung in Tunesien. Außerdem gab es eine Dokumentation über die vielen weiteren Träger des Friedensnobelpreises. Die Osloer Altstadt bietet wenig Interessantes. Viel schöner war da schon die Rundfahrt mit den Schiffen, die zwischen dem halben Dutzend Inseln verkehren, die vor Oslo liegen. Nach einiger Zeit auf einem der Schiffe entschieden wir uns, auf eine der Inseln zu gehen und machten einen Spaziergang entlang des Ufers. Dort reihte sich ein wunderschönes, niedliches kleines Häuschen an das Andere und einen perfekteren "Vorort" gibt es in Oslo wohl nicht. Als nach einer Stunde das nächste Schiff vorbeikam, kehrten wir wieder nach Oslo zurück.







KAPITEL 5 - Uralte Ritzungen, 1001 Inseln und ein Abschiedsstrand

Mit dem Fernbus fuhren wir am nächsten Morgen nach Tanumshede, ein kleines Städtchen in Schweden nur unweit der Westküste. Nach einem halbstündigen Fußmarsch erreichten wir das nächste Ziel unserer Reise - die Felsritzungen von Tanum. Als die Umgebung von Tanum in der Bronzezeit (3000-1000 v.Chr.) am Meeresufer lag, befanden sich hier Siedlungen und an zahlreichen Orten wurden Felsritzungen, Steingräber und weitere Hinweise auf die vor fast 5000 Jahren dort lebenden Menschen gefunden. Heute findet man dort nicht nur ein Museum und die Felsritzungen selbst, sondern auch ein paar nachgebaute Hütten aus der Bronzezeit. Interessant ist, dass in den Felsritzungen alle männlichen Personen deutlich mit einem übergroßen Penis gemalt wurden, um sie als solche zu kennzeichnen und das sehr sehr oft Schiffe gemalt wurden. Letztere überstiegen in der Größe das, was damals technisch machbar war und es wird heute vermutet, dass die Schiffe für die Toten geritzt wurden und sie in das Totenreich befördern sollten. Dass die meisten Felsritzungen auf den Bildern rot oder weiß sind, liegt bloß daran, dass sie heutzutage angemalt wurden, da die zum Teil nur halben Millimeter tiefen Steinkerben sonst nur sehr schwer zu erkennen wären. Nachdem wir uns die zahlreichen Felsritzungen (eigentlich ein blödes Wort, wurden die 'Ritzungen' doch eigentlich durch Klopfen eines Steines auf den Felsen erzeugt - 'Klopfungen' klingt halt aber ein bisschen doof) angesehen hatten, bauten wir unser Zelt auf dem Campingplatz direkt hinter dem Museum auf, wo wir wahrscheinlich - abgesehen von zwei Katzen - die einzigen Gäste waren.

Auf dem Weg zu den Felsritzungen
Mit viel Mühe lässt sich auf diesem Bild erkennen, dass die Felsritzungen als solche fast nicht zu erkennen sind, da sie oft kaum 1 Millimeter in den Stein gehen. Die rote Farbe wurde im Nachhinein aufgemalt, damit sie besser zu erkennen sind.
Die vielen Schiffe wurden vermutlich für die Toten als Symbol für die Reise ins Totenreich gemalt.
Die über 2,3 Meter große Ritzung eines Speergottes

 

Ein tausende Jahre alter Pflug im nachgebauten Bronzezeitdorf:

 

Die Katze und der Campingplatz:

 


Am nächsten Morgen warteten wir dann vergeblich auf einen Bus und mussten 2.5 km mit all unserem Gepäck zu Fuß zurücklegen, um dann nach zwei kurzen Busfahrten schließlich in Fjällbacka anzukommen. Fjällbacka  erinnerte uns ein wenig an Narvik, nur dass es sehr viel wärmer war. Auch Fjällbacka lag am Meer und dicht gedrängt waren die vielen wunderschönen roten Häuschen in der Kleinstadt. Nach einem kurzen Telefonat und einigen Minuten später tuckerte Hans mit seiner gelben Fähre im Hafen ein, lies uns einsteigen und fuhr uns zur Insel Valö herüber, die zwar sehr viel weniger besiedelt war als die in Oslo aber mindestens genauso schön. Dort angekommen, wurden wir von einem Schild begrüßt auf dem in Schwedisch zu lesen war: Hans und Hans' Frau heißen sie auf Valö willkommen. Während Hans sich wieder in sein Haus am Inselufer zurückzog, wanderten wir ein bisschen auf Valö entlang. Der Weg über die felsige Insel führte uns nach ganz oben, wo wir einen traumhaften Ausblick auf die Schären hatten - hunderte kleine Inselchen vor der Westküste Schwedens. Anschließend ging es wieder hinunter, an einem kleinen Strand mit Ferienhäuschen vorbei und dann wartete auch schon Hans wie vereinbart auf uns und wir fuhren wieder nach Fjällbacka herüber. Dort schlenderten wir die Straßen und am Hafen entlang bis wir hungrig wurden und uns auf einer Bank direkt am Ufer mit dem Campingkocher einen Grillkäse brieten. Dann nahmen wir unsere Rucksäcke und stiegen auf den mitten in Fjällbacka zwischen den Häusern liegenden Felsen hinauf, der etwa 40 m hoch war. Mit den Rucksäcken als Windschutzwall legten wir uns ohne Zelt auf unsere Isomatten und lagen unter dem hellen Licht des Vollmonds. Am nächsten Morgen wurden wir vom Sonnenaufgang geweckt, der einen wunderschönen Blick auf die tausenden Inseln in der Umgebung ermöglichte.

Mit Hans Fähre nach Valö:



Die hunderten Schären-Inseln vor der Westküste:


Grillkäse am Hafen:


Fjällbacka vom Felsen aus fotografiert:


Auf dem Felsen:


Camping-Frühstück am Hafen:




Als wir wieder vom Felsen herabgestiegen waren, verabschiedeten wir uns von der wohl schönsten Stadt auf unser großen Rundreise und stiegen in den Bus, dann in einen Zug und waren nach 2 Stunden in Göteborg, Schwedens zweitgrößter Stadt. Wirklich interessant war die Stadt nicht, wenigstens ein paar nette Schiffe gab es zu sehen. Weiter ging es noch am selben Tag mit den Zug nach Halmstad, inzwischen war schon der 17. September und wir waren schon mehr als 16 Tage unterwegs. Halmstad war nett und überschaubar, bot schöne Alleen, kleine Stadtparks, ein kleines Schloss und gleich mehrere Strände. Nachdem wir genug von der Innenstadt gesehen hatten, machten wir uns mit den Rucksäcken auf den Weg zum Strand und im Anblick des vom Sonnenuntergang dunkelroten Himmels und dem leichten Rauschen des Meeres kochten wir unser letztes Campingessen. Danach wurden die Isomatten aufgerollt und die letzte Nacht in Schweden am Strand verbracht.

Halmstad:



Prost, Schweden!






KAPITEL 6 - Der Abschied von Schweden

Der nächste Tag beinhaltete eine Zugfahrt über die Grenze von Schweden hinweg nach Kopenhagen, wo wir fast 30€ bezahlten um unsere Rucksäcke am Bahnhof zu lagern. Kopenhagen selbst war nicht sehr spannend. Einer der Kanäle war mit mit hübschen, bunten Häusern zu beiden Seiten und vielen kleinen Schiffen schön anzusehen und es gab eine Statue der kleinen Meerjungfrau - nach dem Märchen von Hans Christian Andersen. Doch die Zeit lief davon und wir eilten zurück zum Bahnhof, stiegen in den ICE nach Hamburg und dort in den Nachtzug nach München (der schrecklich quietschte und deshalb keinen ruhigen Schlaf zuließ), wo wir am 19. September um 7:05 ankamen. So endete nach 18 Tagen, 80 Stunden Zugfahrt und mehr als 6000 zurückgelegten Kilometern der Backpacking-Urlaub in Schweden. Es war kaum zu vergleichen mit einem gewöhnlichen Urlaub mit Hotels/Hostels/Appartements, es war sehr viel 'unbequemer' aber dafür vielleicht auch etwas 'natürlicher' und irgendwie auch spannender und schöner. Schweden ist sicherlich kein Land, dass man mit dem Zug ohne Weiteres komplett bereisen kann - dafür ist das Netz gerade im Norden zu dünn ausgebaut. Dennoch haben wir es geschafft von Malmö im Süden bis hin zu Abisko mehr als 2200 km nördlich von München viel von Schweden zu sehen - niedliche rote Häuschen, schöne Stadtparks, unendliche Weiten, Wälder, Flüsse, Seen, Wasserfälle und sogar Schnee und Eis. Skandinavien ist eine ganz andere Welt - gerade im Norden fühlt man sich wie auf einem anderen Kontinent. Ein großer Wunsch ist nach dieser Reise leider noch offen: Polarlichter zu sehen. Zwar konnte ich im Nachtzug zurück nach Stockholm ein grünes Polarlicht dicht über dem Horizont im Norden sehen, aber das zählt nur halb. Aber vielleicht erfüllt sich dieser Wunsch ja auf der nächsten größeren Reise - in Island.

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